Mein Router hat den Geist aufgegeben. Jetzt stehe ich komplett ohne Internet da. Im Moment bin ich vollkommen von der Welt abgeschnitten, denn ohne Router habe ich auch kein Festnetztelefon. So ist das eben, wenn man hier auf dem Land lebt. Die Telefonkabel enden oben an der Hauptstraße.
Deshalb habe ich nur eine komische dreieckige Antenne am Haus und dazu den Router auf dem Schreibtisch. Zum Glück kann ich immer noch mit meinem Handy ins Internet – wenn mir das Wetter nicht gerade einen Strich durch die Abdeckung macht, die in meinem Viertel auch nicht so besonders toll ist. Jaaaa, Technik ist schön – wenn sie denn funktioniert.
Als ich vor Jahren herkam, gab es keine lokalen Anbieter und auch keine kleinen dreieckigen Antennen. Die spanische Telefongesellschaft musste uns damals für viel Geld eine riesige Parabolantenne installieren. Zusammen mit der Parabolantenne für den Fernsehempfang sah das Haus wie eine Zweigstelle der NASA aus. Dazu waren die Gebühren jeden Monat extrem teuer und die Internetverbindung dazu wahnsinnig langsam. Wer nicht hier lebte, konnte sich das gar nicht vorstellen. Größere Dateien (zum Beispiel Software-Updates) konnte ich nur nachts abrufen, weil der Download Stuuuuuunden dauerte und tagsüber das Mobilfunkuniversum so ausgelastet war, dass ein größerer Download ohnehin unmöglich war. Blöd nur, dass da draußen so viele von diesen gewitzten Technikern herumlaufen, die für die Downloads schicke Timeouts festlegen. Mehr als einmal musste ich irgendwo anrufen und darum bitten, dass man den Timeout für mich irgendwie deaktivierte. Worauf man mir natürlich mit absolutem Unverständnis begegnete – und mit der Standardantwort: „Also bei uns funktionierts aber prima.“ Grrrrr.
Anfangs versuchte ich zu erklären, dass ich auf dem Land lebe. Allerdings schien das den Eindruck hervorzurufen, ich säße irgendwo im tiefsten Dschungel, weshalb ich meine Erklärung schließlich in ‚ich lebe in einem Neubauviertel‘ abänderte. Diese Aussage traf auf etwas mehr Verständnis. Zum Glück. Und wenn es gar nicht anders ging, musste ich mit dem Laptop in ein Internet-Café gehen und mir die Dateien dort herunterladen. Ein wahnsinniger Aufwand. Daher freue ich mich schon über meine schöne, kleine, dreieckige und leistungsstarke WiFi-Antenne. Sofern sie denn funktioniert … Und ja, wir sind vom Internet abhängig geworden. Sowohl beruflich als auch privat. Ohne Internet bin ich nicht nur von der Welt abgeschnitten. Ich habe geradezu das Gefühl, vom Leben insgesamt abgeschnitten zu sein.
Okay, E-Mails kann ich im Moment notfalls über das Handy abrufen und beantworten, auch wenn es nicht besonders komfortabel ist, aber mein eigentliches Problem ist, dass ich über das Handy keinen Zugriff auf die Server meiner Kunden habe.
Movistar verspricht, mir sofort einen neuen Router zu schicken, der auch angeblich schon am nächsten Tag da sein soll. Ist er aber nicht. Daher rufe ich abends bei Arantxa an und bitte sie, ob ich mit meinem Laptop bei ihr kurz ins Internet gehen kann. Zwei Tage ohne Internet sind schlicht zu viel.
Arantxas Sohn hat Covid, weshalb wir alle mit Masken in der Küche herumsitzen, aber davon abgesehen, ist alles prima. Covid gilt mittlerweile nur noch als eine Art Grippe. Wer sich Covid einhandelt, aber keine besonderen Symptome hat, darf/muss mit Maske zur Arbeit gehen.
Als ich mich verabschiede, bietet Arantxa an: „Sag ruhig Bescheid, wenn du morgen wieder ins Internet musst.“
Da der Router nicht wie versprochen gestern angekommen ist, rufe ich heute erneut bei Movistar an, um zu reklamieren. Wieder einmal versichert man mir, dass der Router schon längst unterwegs sei. Daniel ist gerade da und mäht den Rasen, deshalb gehe ich in den Garten und erzähle ihm, was mit meinem Internet los ist.
„Warum versuchst du es nicht mit Internet Chiclana?“, fragt er mich. Hm. Diesen lokalen Anbieter hat auch Luis schon ein paar Mal erwähnt. Daniel schaut sich um und zeigt dann mit dem Finger auf ein Kabel, dass irgendwo auf der anderen Straßenseite baumelt.
„Schau mal, dein Nachbar hat ein Kabel von Internet Chiclana. Der Techniker muss lediglich von dort ein Kabel bis zu dir führen. Überhaupt kein Problem.“ Hm.
Der nächste Tag verläuft wie immer. Vom neuen Router weiterhin keine Spur. Egal, wie oft ich bei Movistar anrufe. Im Gegenteil, heute hat der dortige Mitarbeiter sogar Stein und Bein geschworen, dass der Router längst bei mir eingetroffen wäre, von mir angenommen wurde und der Fall als abgeschlossen eingestuft ist. Wie bitte??!! Von mir angenommen? Von wem? Von meinem Astralleib vielleicht? Oder hat sich irgendein Körperteil selbstständig gemacht, ist zur Tür gegangen und hat das Paket angenommen ohne mir etwas davon zu sagen? Der Fall ist abgeschlossen?? Abgeschlossen so wie in ‚gelöst und beendet‘? Hier ist gar nichts gelöst!! Ich sitze immer noch ohne Internet da und hänge abends an Arantxas Küchentisch herum.
Das ist wieder einer dieser Momente, in denen ich ziemlich entgeistert auf mein Handy starre. Dann tröte ich meinen Protest lautstark und beharrlich ins Telefon und mache dem Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung irgendwie klar, dass bei mir absolut gar nichts eingetroffen ist. Es ist kein Fitzelchen von einem Router zu sehen.
„Vielleicht bei den Nachbarn?“, schlägt er vor, wohl in der Hoffnung, dass sich das Problem von alleine lösen wird. Aber da muss ich ihn enttäuschen.
„Unmöglich, das sind alles Ferienhäuser, die leer stehen.“, gebe ich kategorisch zurück. Ratlose Stille. Dann ein lauter Seufzer (von ihm, nicht von mir; ich seufze erst nach dem Telefonat): „Ich öffne den Fall erneut und schicke einen neuen Router los.“
Pffff, das sind dann weitere drei Tage ohne Internet!!!! Na danke auch. Ich fasse es einfach nicht. Wütend entscheide ich, am nächsten Tag gleich zu dem lokalen Anbieter zu gehen und sofort alles umzustellen. Aber trotzdem lasse ich den Mitarbeiter gleichzeitig einen neuen Router schicken, denn wer weiß, ob die neue Firma so schnell ist, wie mir alle sagen …
Am nächsten Tag sitze ich im Büro von Internet Chiclana und erledige den notwendigen Papierkram. Tags darauf erscheint einer ihrer Techniker und installiert mir einen neuen Router. Die Welt hat mich wieder! Witzigerweise ist gleich heute Morgen auch der Router von Movistar angekommen. Jetzt habe ich zwei von den Dingern.
Das Leben hat einen komischen Sinn für Humor. Aber vor allem hat es mir Freunde geschickt, an deren Küchentisch ich notfalls campieren darf.
