Heute ist Johannisnacht. Wow. Überall am Strand machen die Leute kleine Lagerfeuer, und es heißt, dass man Punkt zwölf Uhr nachts mit den Füßen im Meer stehen und einen Wunsch losschicken soll. Außerdem muss man kleine Notizzettel verbrennen. Je nachdem, wen man fragt, muss man seine Probleme auf diese Zettel schreiben und verbrennen, oder seine Wünsche und dann ebenfalls verbrennen. Diejenigen, die an die erste Variante glauben, schwören Stein und Bein, dass man sich so seine Probleme vom Hals schafft. Die anderen erklären voller Überzeugung, dass man seine Wünsche notieren und verbrennen muss, damit sie sich erfüllen.
Dieses Jahr will ich das ganze Programm mitmachen und überrede natürlich Fiona dazu, mitzukommen. Zur Sicherheit habe ich zweierlei Zettelchen: mit Wünschen und mit Problemen. Ich verbrenne beides.
Blöd ist allerdings, dass es im Moment verflixt kühl ist, viel kühler als üblich. Es geht ein eisiger Wind. Während ich unten an der Strandpromenade auf Fiona warte, chatte ich mit Leonard. Er war eine Weile zuhause und ist jetzt wieder zurück auf dem Schiff. Algeciras haben sie schon lange hinter sich gelassen und sind einmal mehr irgendwo in der Nähe von Oman. Als Fiona eintrudelt, leite ich einen Videochat ein – nachdem ich Leonard immer so viel über Fiona und Fiona so viel über Leonard erzähle, sollten sich die beiden wirklich mal kennenlernen. Wir schwatzen kurz, wobei ich für beide dolmetsche, dann wünscht er uns einen tollen Abend und wir legen auf.
Als Nächstes versuchen wir, unsere mitgebrachten Zettelchen zu verbrennen, denn ja, auch Fiona hat ein paar Zettel vorbereitet. Ich hole ein Feuerzeug hervor, und wir suchen uns eine etwas windgeschütztere Ecke. Wir benötigen trotzdem mehrere Anläufe, bis die Zettel brennen. Und dann müssen wir sie auch schon schleunigst auf den Boden werfen und wie zwei völlig Geistesgestörte auf ihnen herumhüpfen, um sie auszutreten, denn als sie endlich brennen, ist es gleich zu viel. Grr.
„So.“, sage ich anschließend tatendurstig zu Fiona, während ich mir die eiskalten Händchen reibe. „Wo sind die Lagerfeuer?“
„Och, die hat das Rathaus doch schon vor ein paar Jahren aus Umweltschutzgründen verboten.“, erklärt sie mir mit großen Augen. „Wusstest du das denn nicht?“
„Hä?“, quietsche ich entgeistert. „Echt? Und wozu sind wir dann hierhergekommen??“
Sie zuckt mit den Schultern: „Na, um was trinken zu gehen. Und damit wir um Mitternacht mit den Füßen im Wasser stehen!“
Natürlich ist es ihr viel zu kalt, um mit den Füßen im Wasser zu stehen, sodass ich wieder mal die Einzige bin, die um Mitternacht wie eine Bescheuerte im Meer herumplantscht und ihre Wünsche Richtung Sterne schickt. Und danach mit einem Papiertaschentuch kämpfen muss, um den Sand wieder von den Füßen zu bekommen. Egal. Hauptsache es funktioniert.
Der Wind ist so dermaßen kalt, dass wir uns danach in eine der Strandbars flüchten und mit heißem Pfefferminztee abfüllen müssen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich wegen nicht existenter Lagerfeuer bis hierher gefahren bin.
„In Conil machen sie die Lagerfeuer noch. Ist ja eine andere Gemeinde. Aber unser Bürgermeister hat sie verboten.“, erklärt mir Fiona erneut.
Also echt, nächstes Jahr spare ich mir das mit der Johannisnacht. Oder ich stelle einfach einen Kübel mit Wasser im Garten auf. Da stehe ich dann um Mitternacht mit beiden Füßen drin und schicke sämtliche Wünsche gen Universum. Kann ja notfalls ein bisschen Salz reintun. Aber ich muss breit grinsen, wenn ich an den Abend zurückdenke. Und ich bin froh, jemanden gefunden zu haben, der all meine Dummheiten mitmacht. Einen partner in crime, wie Leonard sagen würde.
