Treffen mit Anstoßen

Am Samstag trifft sich endlich, endlich wieder einmal die gesamte Gruppe. Meine Güte, das wurde aber auch Zeit! Außerdem kommen Anas Freundin, die ich in meiner Eigenschaft als hochwichtige Gruppenadministratorin jetzt in unsere Gruppe aufnehme, sowie Tomás, ein Freund von Ángeles und Domingo auch mit. Wir werden zuerst in Jerez zu Abend essen und dann zur Plaza Canterbury gehen, dort gibt es einen irischen Pub mit Live-Musik.

Wir haben verabredet, dass diejenigen, die von Chiclana aus fahren, sich morgen hier auf dem Parkplatz der Venta Agustín treffen und sich dann so verteilen, dass wir nur mit zwei Autos zu fahren brauchen. Ich bin bereits unterwegs, als es Nachrichten hagelt: „Planänderung!“ Huch, was jetzt?

Schon klingelt mein Telefon. Ricardo.

„Lia, ich hab‘ beim Rückwärtsfahren meinen Wagen gegen eine blöden Pfosten gesetzt, die hintere Scheibe ist kaputt, wir können nicht mit meinem Wagen fahren!“, tönt es aus der Freisprechanlage.

Oh Mist, ja, er hat einen riesigen Geländewagen, da muss sich der Pfosten in irgendeinem toten Winkel herumgedrückt haben, sonst hätten die Sensoren ihn entdeckt und auf dem Display gemeldet!

„Wo bist du jetzt?“, fragt er mich als Nächstes.

„An der Ampel bei dem Cheltron.“

„Warte da auf mich! Ich lasse den Wagen in der Garage und komme zu dir rüber. Die anderen fahren alle mit Ángeles. Vicky und Silvia sind auch schon da.“

„Ok“, sage ich, während ich meinen Wagen auf ein leeres Gelände lenke, das gegenüber des Elektronikgeschäfts Cheltron liegt und als Parkplatz genutzt wird. Ähem, wir sprechen hier von einer Sandpiste mit irrsinnigen Schlaglöchern …

Ich halte in einer Reihe hinter mehreren anderen abgestellten Autos und mache mich ans Warten.

Ricardo benötigt anscheinend etwas länger, weshalb ich mir die Zeit damit vertreibe, die vielen Nachrichten im Gruppenchat durchzusehen.

Fiona: „Wo seid ihr?“

Ricardo: „Auf dem Weg nach Hause. Lia holt mich ab.“

Fiona: „Was? Wieso?“

Ich: „Weil Ricardo rückwärts gegen einen Pfahl gestoßen ist.“

Fiona: „Hatte ich gar nicht mitbekommen! Und die anderen? Wo sind die?“

Ich: „Schon nach Jerez unterwegs. Weil der Freund von Ángeles und Domingo von Cádiz aus fährt und von den Jerezanos niemanden kennt.“

Fiona: „Und Vicky und Silvia?“

Ich: „Keine Ahnung“

Ricardo: „Fahren bei Ángeles mit.“

Fiona: „Und ihr?

Ich: „Gegenüber vom Cheltron. Warte auf Ricardo.“

Ricardo: „Ich bin gleich da, hab den Wagen schon in der Garage abgestellt.“

So geht es eine Weile hin und her, bis ich plötzlich so eine Art Schubs an meinem Auto fühle. Ich blicke von meinem Handy auf und sehe, dass sich der Wagen vor mir, völlig unbeleuchtet, in Bewegung gesetzt hat und zwar nach hinten.

„Das gibt’s doch nicht!“, blöke ich laut und springe aus dem Auto. Wild gestikulierend laufe ich zur Fahrerseite des Fiestas.

„Hey! Du hast mich angestoßen!! Hey!!!“ Man kennt ja schließlich seine Pappenheimer. Wäre nicht der erste, der mal eben so einfach wegfährt. Doch angesichts meines vielen Rufen und Winkens bleibt ihm nichts anderes übrig als auszusteigen. Er setzt den Wagen zuerst nach vorn (Wieso ist er überhaupt rückwärts gefahren? Vor ihm sind gut zwei Meter Platz!!), steigt aus, wirft einen Blick auf mein Auto und meint nur lapidar: „Nix passiert“. Ja, auch das kenne ich schon …

„Moment!“, sage ich daher sehr bestimmt, schalte die Taschenlampe an meinem Handy ein und begutachte mein Auto aufs Genaueste. Er schaltet ebenfalls seine Taschenlampenfunktion ein und, ja, großes Aufatmen, es ist tatsächlich nichts passiert. Jetzt bittet er mich, meinen Wagen wegzufahren, damit er rausfahren kann. Wie gesagt, bei zwei Metern m freier Fläche vor ihm. Ich verstehe die Welt nicht mehr, fahre aber mein Auto weg, weil mir jede Diskussion zu blöd ist, steige erneut aus und schaue mir noch einmal alles genau an, bevor ich mich beruhigt wieder hinter dem Lenkrad niederlasse. Natürlich schicke ich prompt eine Nachricht an die Gruppe.

„Ok, heute äußerste Vorsicht beim Fahren, Leute! Ricardo ist rückwärts gegen den Pfahl gedonnert und mir ist gerade einer reingefahren.“

„WAS??!!“

„Das gibt’s ja wohl nicht!“

„Keine Sorge, nichts passiert, er ist rückwärts gefahren und in mich rein, aber so langsam, dass wirklich nichts passiert ist.“

Daraufhin witzelt Domingo: „Was? Wie war das? Dir hat’s einer von hinten gemacht?“

„Nö, noch schlimmer, er hat seinen Hintern direkt in meine Schnauze gerammt!“, gebe ich trocken zurück.

In dem Moment klopft Ricardo an die Scheibe der Beifahrertür. Natürlich erzähle ich ihm das Ganze auch gleich brühwarm, als Fiona anruft: „Mensch, wo steckt ihr denn alle??“

Da ist sie ausnahmsweise fast pünktlich und steht irgendwo alleine herum, weil wir super zu spät sind …

„Keine Sorge, wir sind jetzt unterwegs, um dich abzuholen. In zwei Minuten sind wir da.“, beruhigt Ricardo sie.

Wider Erwarten schaffen wir es tatsächlich ohne weitere Komplikationen, Fiona aufzugabeln, nach Jerez zu fahren, ein Parkhaus zu finden, um Punkt neun Uhr auf einem der Abstellplätze im Parkhaus zu parken (der Tisch ist für neun bestellt) und wenige Minuten später im Restaurant zu sein, alles in allem nur fünf Minuten zu spät – das ist praktisch pünktlich!

Wer allerdings eine halbe Stunde zu spät kommt, sind die petardos, die in Jerez wohnen. Kein Kommentar …